Mittagspause

12 Uhr ist eine wichtige Zeit. Heute. Früher. Um 12 Uhr verlässt der Angestellte seinen öffentlichen Arbeitsplatz. Im Amt ist da Mittag. Der Mittag ist heilig. Wäre ja noch schöner. Rennt eilig raus aus seinem Büro, der Angestellte. Obwohl gut geheizt. Stürzt sich in die Stadt. Muss seinen Hunger stillen. Seine Mittagspause auskosten. Telefone wurden rechtzeitig aus die Hand gelegt. Auch die Tastatur fortgelegt. Nein, jetzt keinen Blick mehr in den Bildschirm. Blos keine Zeit verlieren. Der Mantelkragen wird hochgeschlagen. Sturm und Regen schrecken nicht. In den Markthallen gibt es bald Schlangen. Nur nicht zu lange warten. Oder doch zum Italiener? Die Kosten schrecken ein wenig. Das Essen muss ausgekostet werden. Das Leben findet nicht im Büro statt. Hinausgezögert werden muss der Rückweg. Doch um 13 Uhr ist der Spuck vorbei. Zu spät will keiner kommen. Dann müsste er ja länger bleiben. Um 17 Uhr ist Feierabend. Dann beginnt das Leben wieder. Das Telefon wird erst um 13 Uhr wieder in die Hand genommen. Frühestens. Vielleicht auch ein wenig später. Die Schlange am Schalter kann ruhig noch ein wenig wachsen. Wer heute nicht dran kommt, wird morgen wiederkommen. Es gibt ja keine Alternativen. Geraucht wird ja nicht mehr viel im Amt. Doch die Kaffeeküche ist immer wichtig. Die meisten im Amt sind freundlich. Zumindest, solange man nicht zur falschen Zeit etwas von ihnen will. Vor der Mittagspause anrufen ist keine gute Idee. Nach der Mittagspause auch nicht. Kurz vor Feierabend sollte man es bleiben lassen. Wäre ja noch schöner. Überstunden sind nicht gern gesehen. 

Frau Blum

Natürlich möchte heute keiner mehr den Milchmann kennen lernen. Wie auch. Ihn gibt es schon lange nicht mehr. Wenn jemand Milch will, muss er sich die Flasche im Kühlregal des Supermarktes holen. Auch Butter bringt der Milchmann nicht mehr. Liegt auch im Kühlregal. Zettel für den Milchmann muss Frau Blum nicht mehr schreiben. Wenn Frau Blum noch lebt, schreibt sie sich höchsten einen Einkaufszettel. Zwei Flaschen Milch, ein halbes Pfund Butter. Usw. Aber den Zettel liest niemand anders. Wenn, dann liest ihn nur Frau Blum. Es sei denn, sie würde ihn nach dem Einkauf im Einkaufswagen liegenlassen. Dann würde ihn vielleicht jemand anderes lesen. Frau Blum hat nie gewusst, wie der Milchmann ausschaut. Er kam sehr früh. Sie hat ihn nie gesehen. Heute könnte sie nur noch dem Zeitungsboten einen Zettel schreiben. Den würde sie wohl auch nie sehen. Es sei denn, er hätte wieder einmal verschlafen. Käse bekam Frau Blum keinen vom Milchmann. Joghurt war damals noch nicht in Mode. Frau Blum hatte noch keinen Kühlschrank. Sie brauchte immer frische Milch. Und Butter. Frau Blum war sich sicher, dass der Milchmann einen Pferdewagen hatte. Aber sie hat ihn nie gesehen. Weder den Mann. Noch den Pferdewagen. Den Milchmann habe ich noch nicht kennengelernt. Früher gab es im Stadtteil aber noch einen Milchladen. Der hatte Milch. Aber auch vieles andere. Nur mit Milch, das ging nicht. Semmeln gab es für die Nachtschwärmer in der Früh. Und Schinken. Und vieles anders. Und wenn die Milch für den Kaffee aus war, ging ich hin. Nahm auch ein paar Semmeln mit. Frau Blum schreibt keine Zettel mehr. In den Supermarkt wird sie auch nicht mehr gehen. Milchmädchenrechnungen macht heute auch keiner mehr.